VÖPE in Die Presse am Mo, 06.09.2021 zum Thema: Bodenversiegelung: Lasst uns verdichten

Viele Bürgermeister stehen verdichtenden Bauweisen sehr skeptisch gegenüber. Doch es gibt Lösungsansätze. Die Lebensraumentwickler sehen sich als Profis, wenn es um bodensparendes, verdichtetes bauen geht - dem Schlüssel im Kampf gegen die Bodenversiegelung.

Bodenversiegelung: Lasst uns verdichten

Gastkommentar. Viele Bürgermeister stehen verdichtenden Bauweisen sehr skeptisch gegenüber. Doch es gibt Lösungsansätze.

VON SEBASTIAN BEIGLBOCK

Die von Beate Meinl-Reisinger (Neos) ausgelöste Debatte um Bodenversiegelung und eine mögliche Änderung der bau- und raumordnungsrechtlichen Kompetenzen beschäftigt auch uns als österreichische Lebensraumentwickler. Wir sehen uns als Profis, wenn es um bodensparendes, verdichtetes Bauen geht, dem Schlüssel im Kampf gegen Bodenversiegelung.

Bauträger, die sich hier engagieren wollen, stoßen aber auf wenig Verständnis in den Gemeinden. Viele Bürgermeister sind verdichteten Bauweisen gegenüber skeptisch. Sie fürchten Veränderungen im Ortsbild und Belastungen durch Infrastrukturkosten. Geeignete Grundstücke sind oft schwer zu mobilisieren und werden gehortet. Und lokalen Baubehörden fehlen für die Umsetzung von solchen Projekten Erfahrung und Personal. Für all diese Themen gibt es Lösungsansätze. Die Bürgermeister zu entmachten, ist angesichts der österreichischen Realverfassung keiner. Die Bürgermeister könnten aber Teil der Lösung sein, als Promotoren einer neuen, ökologischen Siedlungsentwicklung – mit Unterstützung durch Bund und Länder.

Ein Schlüssel für eine bodensparende Entwicklung ist, dass ein ganzheitlicher Überblick über die Siedlungsentwicklung in einer Region besteht. Vergleichbar mit den Wirtschaftsagenturen könnten in den Ländern Wohnbauagenturen als Ansprechpartner und Vermittler zu den Gemeinden fungieren.

Raumplanungsrechtlich wäre die Schaffung von Instrumenten für eine Verdichtung in Ortskernen und verkehrsgünstig gelegenen Standorten, z. B. an Bahnhöfen, ein sinnvoller Schritt. So könnten in Landesraumordnungsprogrammen Verdichtungszonen eingeführt und im Gegenzug striktere Siedlungsgrenzen in Randlagen gesetzt werden.

Laut einer Erhebung der Universität für Bodenkultur verfügt Österreich über 72.000 Hektar gewidmete, aber nicht bebaute Flächen, viele davon innerörtlich. Wir benötigen ein prinzipielles Bekenntnis der Gebietskörperschaften zur Verdichtung an diesen Standorten. Auch dafür braucht es baulandmobilisierende Instrumente – z. B. Abgaben für dauerhaft nicht bebaute Baulandgründstücke und Anreize für Eigentümer im Ortsverbund, brachliegende Grundstücke zu entwickeln. Gerade institutionelle Grundbesitzer (z. B. die ÖBB) bieten großes Potenzial.

Mehr Professionalität

Flächenwidmungs- und Baubehörden der Gemeinden sind oft schlicht zu klein. Wir brauchen professionelle Bauämter mit einer kritischen Größe mit Unterstützung der Länder. Etwa durch gemeindeübergreifende Bauämter oder einer Bündelung bei den Bezirkshauptmannschaften. Die Entscheidungsgewalt könnte bei den Gemeinden verbleiben. Diese brauchen zudem mehr Anreize für Kooperation untereinander – z. B. durch einen Kommunalsteuerausgleich. Zwischen öffentlichen Stakeholdern und Entwicklern braucht es ein partnerschaftliches, transparentes System für die Aufteilung von Infrastrukturkosten zwischen Gemeinden und Entwicklern, z. B. über systematisierte privatrechtliche Verträge.

Befürchtungen von Folgekosten der Verdichtung kann so entgegengewirkt werden. Mit den richtigen Reformen können wir eine Win-win-Situation erreichen: Die Siedlungsentwicklung wird klima- und umweltschonender. Die Gemeinden erhalten Investitionen und eine nachhaltige Entwicklung. Den Lebensraumentwicklern stehen mehr und leistbare Grundstücke an attraktiven Standorten zur Verfügung. Und das kommt am Ende der Bevölkerung über die Kauf- und Mietpreise zugute.

Sebastian Beiglböck ist Raumplaner und Geschäftsführer der VÖPE (Vereinigung Österreichischer Projektentwickler), ein freiwilliger und parteiunabhängiger Verein der gewerblichen Bauträger in Österreich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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