Zur Versachlichung der Diskussion über die Aussetzung der Mietzinserhöhungen.

Dieser Tage wurde und wird sehr viel über die Begrenzung von vertraglich vereinbarten und rechtlich reglementierten Mietzinserhöhungen, konkret der Inflationssicherung der Mieten, diskutiert. Teilweise sehr emotionell, weil Wohnen ein als Grundbedürfnis ist.

Österreich ist ein Mieterland. In kaum einem anderen europäischen Land leben so viel Menschen zur Miete. Spitzenreiter ist Wien, mit ca. 80 Prozent der Haushalte. Weiters sind in Österreich so gut wie alle Mietverträge über den VPI wertgesichert. Allerdings unterliegen nicht alle Mietverträge dem Richtwertgesetz. Wie viele Wohnungen dem Richtwertgesetz unterliegen, kann nicht genau gesagt werden, Schätzungen gehen österreichweit von zwischen vier- und fünfhunderttausend aus, in Wien allein sind es zwischen 220.000 und 370.000. Und nehmen wir die Zahlen der Statistik Austria* dann 400.000 in ganz Österreich. Das bedeutet, dass bezogen auf ca. vier Millionen Privathaushalte weniger als 10 Prozent der Haushalte – eigentlich bevorzugt – betroffen wären.

Diese Bevorzugung gilt doppelt: Unterliegt eine Wohnung dem Richtwertgesetz, so ist auch die Miete nicht frei vereinbar, sondern gesetzlich festgelegt. Der Richtwert in Wien beträgt aktuell 6,15 Euro pro m2, ist an die Wohnung gekoppelt und gilt damit für Gutverdienende im ersten Bezirk ebenso wie für sozial Schwächere im Gemeindebau. Das zum Thema soziale Treffsicherheit.

Für Wohnungen, die dem Richtwertgesetz unterliegen, ist die Inflationsanpassung übrigens ohnehin schon gesetzlich bevorteilt: Im Gegensatz zu „normalen“ Mietverträgen wird die Inflation nicht jedes, sondern nur jedes zweite Jahr zur Vorschreibung gebracht. Während der Pandemie wurde die Anpassung für ein weiteres, zusätzliches Jahr verschoben, wodurch es im April 2022 zu einer Anpassung von 5,85 Prozent für drei Jahre kam.

Der zuletzt diskutierte Vorschlag, die gesetzlich (!) geregelte Inflationsanpassung ab April 2023 von 8,6 Prozent über die nächsten drei Jahre zu verteilen, suggeriert, dass diese dann irgendwie aufgeholt wird. Was falsch ist, weil damit die Inflationsabgeltung der nächsten drei Jahre unter den Tisch fällt.

Wohnungseigentümer sind für Erhaltungs- und Instandhaltungsarbeiten mit gestiegenen Kosten nicht nachträglich, sondern augenblicklich betroffen. Übrigens sind diese Kosten, die seitens der Statistik Austria im Index OOH121 verfolgt werden, seit der letzten Anpassung nicht nur um 8,6 Prozent sondern um mehr als 10 Prozent bis ins Q3 2022 gestiegen (aktuellere Werte liegen nicht vor).

Die bei weitem meisten Richtwert-Wohnungen sind Altbau-Wohnungen, mit entsprechend schlechten Klima-Werten. Die gedeckelten Mieten erschweren entsprechende Investitionen schon heute, die angedachte weitere „Entwertung“ der Einnahmen macht es nicht leichter. Die angekündigten „Förderungen“ für „sanierungswillige“ Eigentümer gibt es bereits, aber rechnen sich oft nicht.

Sinnvoller wäre es, wenn Mieter an den Kosten für energetischen Verbesserungen beteiligt werden. Sie profitieren ja auch von den Einsparungen.

Mieterschutz ist wichtig. Statt pauschale Mietenreduzierungen oder Inflationsbefreiung sollten konkret die Mieter:innen, die Hilfe benötigen, entsprechend gefördert werden.

 

Übrigens: Der größter Einzeleigentümer von Richtwert-Wohnungen ist die Gemeinde Wien.

 

DI Michael Baert, ist Vorstand des „Institut für Anlageberatung AG“ und Mitglied der VÖPE

 

* https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2022/09/20220908WohnenQ222.pdf

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